Röhrenverstärker
Autor: Andre Adrian
Version: 22.Apr.2019
Einleitung
Röhrenverstärker klingen gut. Röhrenverstärker sehen gut aus durch
die leuchtenden Röhren. Röhrenverstärker eignen sich für den
Selbstbau. Es gibt ein großes Interesse an Röhrenverstärkern. Diese
Internet-Seite beschreibt verschiedene HiFi Röhrenverstärkers für
"arme Leute". Die Schaltung eines Röhrenverstärkers wird erklärt,
die Beschaffung der Bauteile wird besprochen und eine Anleitung für
die Simulation der Röhrenschaltungen mit SPICE gibt es auch.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Ab den 1920er Jahren hatte die Elektronenröhre zwei große
Einsatzgebiete, einmal im Radioempfänger und zweitens als
Telefonverstärker. Nachdem Radio mit Lautsprecher und nicht mehr mit
Kopfhörer gehört wurde, war in jedem Radioempfänger ein
Röhrenverstärker eingebaut. Ab den 1930er Jahren gab es
Röhrenverstärker mit einer Leistung von einigen zehn Watt. Mit
diesen Leistungsverstärkern konnte ein kleiner Saal beschallt
werden. Irgendwann entdeckten Sänger und Musiker neue
Einsatzmöglichkeiten von Röhrenverstärkern. Die Verbindung zwischen
E-Gitarre und Röhrenverstärker ist besonders eng. Ohne Verstärker
ist ein Musiker mit E-Gitarre ein Nichts. Aber mit einem Verstärker
wird der Gitarrist zum Gigant. Etliche Gitarristen haben ihren
Röhrenverstärker "missbraucht" um interessante musikalische Effekte
zu erzielen. Der eine Gitarrist hat den Röhrenverstärker benutzt um
aufheulende Töne zu spielen. Der nächste Gitarrist hat den
Verstärker gnadenlos übersteuert um verzerrte Töne aus der Gitarre
zu locken. Die Hersteller von Röhrenverstärkern wie Marshall, Fender
oder Vox hatten ihre Verstärker nicht als Effektgeräte geplant.
Eigentlich sollte das Ausgangssignal des Röhrenverstärkers eine gute
Kopie des Eingangssignals sein. Dieses Ziel haben die Hersteller der
bekannten Röhrenverstärker für E-Gitarre zur Freude der Rockmusiker
nicht erreicht.
Radiotron 1939
Röhrenverstärker

Der Radiotron Verstärker wurde beschrieben in dem Buch "Radiotron
Designer's Handbook, Third Edition" aus dem Jahr 1941. Das Radiotron
Buch war ein Standard-Werk für die Elektronik-Ingenieure der
Röhrenära.
Die Schaltung benutzt vier Röhren für die Niederfrequenzverstärkung.
Die erste Röhre, die linke 6J7-G Pentode, bildet eine
Vorverstärker-Stufe. Die zweite 6J7-G Pentode arbeitet als "phase
splitter", als Phasenumkehr-Stufe. Die beiden Pentoden 6L6-G bilden
die "push-pull" oder Gegentakt-Endstufe.
Vorverstärker
Das Eingangssignal liegt an den beiden linken Kreise. Über den
"Master Volume" Potiometer gelangt das Eingangssignal direkt auf das
Steuergitter der ersten 6J7-G. Zwischen Kathode der Vorverstärker
Pentode und Masse liegt die Parallelschaltung von einem 2000Ω
Widerstand und einem 25µF Elektrolyt-Kondensator (Elko). Diese
beiden Bauteile sorgen für eine kleine Gleichspannung an der
Kathode. Die Kathode ist positiver als das Steuergitter. Oder,
anders betrachtet, das Steuergitter ist negativer als die Kathode.
Damit die Elektronenröhre ohne Eingangsleistung angesteuert werden
kann, muss die Steuergitter-Spannung negativer als die
Kathoden-Spannung sein. Durch die Röhre 6J7-G fließt ein
Gleichstrom, welcher im Takt der Musik schwankt. Diese Schwankung
ist aber nicht stark. Nach dem Ohm'schen Gesetz U = R * I (Spannung
am Widerstand ist gleich Widerstands-Wert mal dem Strom durch den
Widerstand) ergibt sich die Kathodenspannung. Der 25µF Elko dämpft
die Spannungsschwankung an der Kathode. Die Anode der ersten 6J7-G
liegt über einen 0,25MΩ (250kΩ) Widerstand an der
Versorgungsspannung von 425V. Zwischen Kathoden und Anoden Anschluss
wirkt die Röhre wie ein einstellbarer Widerstand. Die Spannung
zwischen Steuergitter und Kathode bestimmt ob die
Kathode-Anode-Strecke hochohmig oder niederohmig ist. Die Spannung
an der Anode hängt vom Widerstandsverhältnis von dem 250kΩ
Widerstand und dem Kathode-Anode-Widerstand ab. Wird die
Eingangsspannung negativer, so wird der Kathode-Anode-Widerstand
größer und die Spannung an der Anode steigt. Wird die
Eingangsspannung positiver, so wird der Kathode-Anode-Widerstand
kleiner und die Spannung an der Anode sinkt.
Zwischen Anode und Masse liegt ein Kondensator von 0,0001µF (100pF).
Dieser Kondensator verringert die obere Grenzfrequenz des
Verstärkers. Oft wird ein solcher Kondensator eingebaut um wilde
Schwingungen des Verstärkers zu vermeiden.
Das Schirmgitter der ersten Röhre ist über einen 1,5MΩ Widerstand
mit der Anode der dritten Röhre verbunden. Diese Verbindung
realisiert eine Gegenkopplung. Die Gegenkopplung wird später
vollständig besprochen.
Phasenumkehr
Die Phasenumkehr-Stufe ist wegen der Gegentakt-Endstufe nötigt. Die
beiden Endpentoden benötigen für die Ansteuerung zwei Signale welche
gegenphasig sind. Wird das eine Signal positiver, so muss das andere
Signal negativer werden. Die Phasenumkehr erzeugt aus einem
Eingangssignal zwei gegenphasige Ausgangssignale. Viele
"Distortion"-Effekte eines Röhrenverstärkers entstehen in der
Phasenumkehr-Stufe. Die Phasenumkehr-Stufe hat einen
Kathodenwiderstand und einen Anodenwiderstand von je 100kΩ. Wird die
Kathode-Anode-Strecke niederohmiger, dann steigt der Strom durch
Kathodenwiderstand und Anodenwiderstand. Gegenüber Masse steigt die
Spannung an der Kathode, die Spannung an der Anode sinkt. Die beiden
gegenphasigen Ausgangssignale entstehen am Kathodenwiderstand und
Anodenwiderstand.
Damit die Spannung an der Kathode positiver ist als am Steuergitter,
gibt es den 5000Ω Widerstand an der Kathode. Der 0.02µF (20nF)
Kondensator und der 1MΩ Widerstand am Steuergitter der zweiten Röhre
bilden die RC-Kopplung zwischen erster und zweiter Pentode. Ohne
Eingangssignal hat die Anode der ersten Röhre eine Spannung von
einigen Hundert Volt. Das Steuergitter der zweiten Röhre hat eine
deutlich kleinere Spannung. Der 0.02µF Kondensator hat zwischen
seinen Platten eine Gleichspannung. Solange der Spannungsunterschied
zwischen den Kondensatorplatten gleich bleibt, fließt kein Strom
durch den Kondensator. Schwankt die Spannung an der einen
Kondensatorplatte, dann schwankt auch die Spannung an der anderen
Kondensatorplatte. Der 1MΩ Widerstand ist der
Gitterableitwiderstand. In der Röhren fliegen Elektronen von der
Kathode durch das Steuergitter zur Anode. Einige dieser Elektronen
verirren sich auf das Steuergitter. Elektronen auf dem Steuergitter
reduzieren den Elektronenstrom zwischen Kathode und Anode. Über den
Ableitwiderstand gelangen diese Elektronen zur Masse und
"verstopfen" nicht das Steuergitter.
Gegentakt-Endstufe
Die beiden Endstufen Pentoden arbeiten weitgehend unabhängig
voneinander. Die Kopplung zwischen Phasenumkehr und Endstufe erfolgt
mit einem RC-Glied. Der Koppelkondensator hat 0.1µF (100nF), der
Ableitwiderstand hat 250kΩ. Am Steuergitter liegt ein Widerstand von
0,01kΩ (100Ω). Dieser Widerstand ist die Schwingbremse. In der Röhre
liegt zwischen Steuergitter und Kathode eine Kapazität. Zusammen mit
einer Induktivität außerhalb der Röhre ergibt sich ein Schwingkreis.
An der Anode der Röhre liegt mit dem Ausgangsübertrager eine
Induktivität. Der Miller-Effekt beschreibt wie aus Schwingkreis am
Eingang und Induktivität am Ausgang ein Oszillator entsteht. Der
Schwingbremse-Widerstand liegt in Reihe zu C und L des
Schwingkreises und senkt die Schwingkreisgüte. Ein solcher
gedämpfter Schwingkreis reagiert wenig auf den Miller-Effekt.
Übrigens: Wenn die Endstufe wild schwingt entstehen meistens
Frequenzen die weit oberhalb der hörbaren Töne liegen. Der
Verstärker "verstopft". Der Klang ist oft dumpf.
Die Kathoden der beiden Endpentoden sind verbunden. Zwischen
Kathoden und Masse liegt ein RC-Glied wie bei der Vorstufe. Das
RC-Glied aus 200Ω Widerstand und 25µF Elko erfüllt die gleiche
Aufgabe wie beim Vorverstärker. Die Kathode ist positiver als das
Steuergitter.
Die Anoden der beiden Endpentoden liegen über die Primärwicklungen
des Ausgangsübertragers an der Versorgungsspannung. Die
Primärwicklung hat einen Widerstand von 100 bis 200 Ohm. Wichtiger
für die Funktion der Verstärkers ist aber die Induktivität der
Primärwicklung. Für eine Frequenz von 1000Hz bedeutet die
Induktivität der Primärwicklung eine Impedanz von einigen Tausend
Ohm. Die Stromschwankungen in den Primärwicklungen werden auf die
Sekundärwicklung übertragen. Die Stromschwankungen im Lautsprecher
bewegen die Lautsprecher-Membran und unser Ohr interpretiert die
durch die Membran ausgelösten Luftdruckschwankungen als Töne.
Die Schirmgitter der Endpentoden werden über einen Spannungsteiler
aus den Widerständen 1400Ω und 5000Ω mit Spannung versorgt. Diese
beiden Widerstände werden recht heiß. Bei einer Versorgungsspannung
von 425V fließt durch die beiden Widerstände ein Strom von 66mA. Die
Leistung wird berechnet aus P = U * I (Leistung ist gleich Spannung
mal Strom). Beide Widerstände verwandeln 28W elektrische Leistung in
Wärme. Ein Elko mit 8µF Kapazität glättet die Schirmgitter-Spannung.
Gegenkopplung
Ein HiFi Verstärker soll das Eingangssignal verstärken und nicht
verzerren. Ein Gitarren-Röhrenverstärker ist kein HiFi Verstärker,
hier wird vom Musiker oft eine "interessante" Verzerrung gewünscht.
Heute benutzen Musiker Effektgeräte wie das Tube-Zipper von
Electro Harmonix für die "Distortion". Ein Open-Air Konzert
arbeitet mit etlichen tausend Watt Leistung aus
Transistor-Verstärkern. Diese Verstärker können ein vom Effektgerät
verzerrtes Signal wiedergeben, aber ehrlich gesagt niemand möchte
hören wenn ein Transistor-Verstärker aufgrund von Übersteuerung eine
Clipping-Distortion erzeugt, das hört sich einfach nur schrecklich
an.
Die Gegenkopplung soll aus einem Verstärker der verzerrt einen
Verstärker machen der nicht verzerrt. Hierzu wird ein Teil des
Ausgangssignals wieder am Eingang eingespeist. Zurückgekoppeltes
Ausgangssignal und Eingangssignal arbeiten gegeneinander, deshalb
Gegenkopplung. Durch Gegenkopplung sinkt die Verstärkungsfaktor des
Verstärkers. Die von der Gegenkopplung "aufgefressene" Verstärkung
wird benutzt um die Verzerrungen zu verkleinern. Im Radiotron
Verstärker erfolgt die Gegenkopplung zwischen Anode einer Endpentode
und Schirmgitter der Vorstufen-Pentode. Zwei Widerstände mit den
Werten 1,5MΩ und 0,03MΩ (30kΩ) bilden einen Spannungsteiler. Die
Spannungsschwankung an der Anode der Endpentode kommt reduziert am
Schirmgitter der Vorstufen-Pentode an. Das Schirmgitter beeinflusst
wie das Steuergitter den Elektronenstrom zwischen Kathode und Anode.
Der Elektronenstrom reagiert auf Änderungen der
Schirmgitter-Spannung viel weniger empfindlich als auf die
Änderungen der Steuergitter-Spannung. Die Gegenkopplung des
Radiotron Verstärkers ist schwach. Die Verstärkung wird wenig
reduziert, die Verzerrungen werden ebenfalls wenig reduziert.
Arme Leute
Röhrenverstärker Nr. 1
Der "Arme Leute" Verstärker ist ähnlich aufgebaut wie der Radiotron
1939 Röhrenverstärker. Es gibt aber auch einige Unterschiede. So hat
der "Arme Leute" Verstärker keine Gegenkopplung über mehrere Stufen.
Die Vorstufe und die Phasenumkehr wird mit der Doppeltriode ECC83
durchgeführt, nicht mit zwei Pentoden. Die Endstufe besteht aus zwei
EL84 Pentoden. Wie bei der EL84 üblich liegen die Schirmgitter
direkt an der Versorgungsspannung.
Der größte Sparposten am "Arme Leute" Verstärker ist der
Ausgangsübertrager. Es wird ein Netztrafo benutzt. Ein Trafo mit
zwei Primärwicklungen für 115V und Sekundärwicklung für 6V hat das
passende Übersetzungsverhältnis für eine EL84 Endstufe. Ein
Netztrafo arbeitet bei 50Hz. Als Ausgangsübertrager eingesetzt hat
ein Netztrafo deshalb keine Probleme mit tiefen Tönen. Bei einer
Gegentaktendstufe ist auch kein Luftspalt nötig. Natürlich ist das
Wicklungsschema bei einem Netztrafo nicht so ausgefeilt wie bei
einem Ausgangsübertrager. Mit einem "echten" Ausgangsübertrager wäre
der Arme Leute Verstärker aber nicht mehr günstig und nichts mehr
für arme Leute. Weil der Arme Leute Verstärker keine Gegenkopplung
von der Sekundärseite des Übertragers hat, ist die Induktivität des
Übertragers wichtig für den Frequenzgang. Für jede Endstufe gibt es
eine optimale Induktivität. Eine größere Induktivität bevorzugt die
tiefen Frequenzen zum Nachteil der hohen Frequenzen, eine kleinere
Induktivität benachteiligt die tiefen Frequenzen zugunsten der hohen
Frequenzen.Der Hochleistungs-Übertrager 53.19
von Reinhöfer electronic hat eine Induktivität der Primärwicklung
von 70H bei 30Hz.

Vorstufe
Über den Potiometer R16 gelangt das Eingangssignal an das
Steuergitter von U1, einer ECC83. R16 sollte einen Wert von ungefähr
100kΩ und einen logarithmischen Widerstandsverlauf haben. Die
Kathodenspannung an U1 von ungefähr 1,5V entsteht durch den
Widerstand R1. Die Spannungsverstärkung der Vorstufe ergibt sich aus
der Verhältnis R2 / R3. Wird der Widerstand R3 wie in dem Radiotron
Verstärker mit einem Elko überbrückt, dann steigt die
Spannungsverstärkung der Vorstufe, aber auch die Verzerrungen. Im
Arme Leute Verstärker gibt es Gegenkopplung, auch wenn diese nicht
sofort auffällt. Die Gegenkopplung wirkt immer nur auf eine
Verstärkerstufe. Diese Art der Gegenkopplung bereitet keine
Probleme.
Der Widerstand R7 und der Elko C1 sieben die Versorgungsspannung für
die Vorstufe und der Phasenumkehr. An C1 liegen 260V.
Phasenumkehr
Der "phase splitter" rund um U2 hat den Arbeitswiderstand R5 an der
Anode und R6 an der Kathode. An der Kathode von U1B lassen sich
ungefähr 17V messen. An C3 und C4 entstehen gegenphasige Signale für
die Ansteuerung der Endstufe. Die Gegenkopplung der
Phasenumkehr-Stufe erfolgt durch R4 und R6. U1 und U2 sind die
beiden Trioden in einer ECC83.
Endstufe
Die Endpentode U3 hat am Steuergitter den Ableitwiderstand R8. Die
Schwingbremse R10 verhindert wilde Schwingungen. Der hohe Wert von
10kΩ ist nötig weil die EL84 als steile Pentode eine hohe
Verstärkung hat. Der Widerstand R12 sorgt für eine Kathodenspannung
von ungefähr 9V. Der Ausgangsübertrager hat die zwei
Primärwicklungen L1, L2 und zwei Sekundärwicklungen L3, L4. Der
Ausgangsübertrager ist ein 10VA Netztrafo für zweimal 115V
Eingangsspannung und zweimal 6V Ausgangsspannung. Die beiden 6V
Sekundär-Wicklungen werden parallel geschaltet. Die Impedanz des
Lautsprechers, RL, kann zwischen 4Ω und 8Ω liegen. Laut EL84
Datenblatt beträgt die maximale Ausgangsleistung der Endstufe 11W.
Simulationswerte
Die Schaltung wurde unter LTSpice simuliert und optimiert. Die
Intermodulation von 43.5dB wurde mit zwei Sinussignalen gleicher
Amplitude und Frequenz von 10kHz und 10.2kHz gemessen. Die
Oberwellen (Harmonics) von 42dB wurden bei 10kHz gemessen und sind
die Differenz zwischen Nutzsignal und stärkster Oberwelle. Die
Spannungsverstärkung (Amplification) beträgt 18.8dB bei 1kHz. Der
3dB Frequenzgang (Attenuation 3dB) reicht von 36Hz bis 208kHz. Die
obere Grenzfrequenz dürfte nicht erreicht werden. Die Simulation des
Ausgangsübertragers enthält keine Kapazitäten. Der Verstärker
erfüllt die Norm DIN 45500 welche für HiFi Verstärker einen
Frequenzgang von 40Hz bis 16kHz bei +- 1,5dB verlangt.
Stückliste
Die Stückliste ist gültig für einen Mono-Verstärker. Für einen
Stereo-Verstärker müssen alle Bauteile, mit Ausnahme von R16,
doppelt beschafft werden. Die Röhren und Röhrenfassungen erhält man
bei Frag Jan zuerst
deutlich günstiger als bei Conrad.
Bauteil
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Beschreibung
|
Lieferant
|
Artikel
|
U1
|
ECC83 oder 12AX7
|
Conrad
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Best.-Nr.: 120863 - 62 |
U2, U3
|
EL84 oder 6BQ5
|
Conrad
|
Best.-Nr.: 121525 - 62 |
U1, U2, U3 Fassung |
Noval-Fassung |
Conrad |
Best.-Nr.: 120561 -
62 |
C1
|
Elko 47uF, 350V
|
Reichelt
|
AX 47/350 |
C2, C3, C4
|
Kondensator 100nF, 400V
|
Reichelt |
MKS-4-400 100N |
R16
|
Potiometer 100kΩ, stereo,
logarithmisch
|
Reichelt |
PO6S-LOG
100K |
R2
|
Metallschicht 100kΩ |
Reichelt |
METALL 100K |
R1, R4
|
Metallschicht 4,7kΩ |
Reichelt |
METALL 4,70K |
R3, R8, R9
|
Metallschicht 1MΩ |
Reichelt |
METALL 680K |
R5, R6
|
Metallschicht 47kΩ
|
Reichelt |
METALL 47,0K |
R7, R10, R11
|
Metallschicht 10kΩ |
Reichelt |
METALL 10,0K |
R12, R13
|
Metallschicht 130Ω, 2W
|
Reichelt
|
2W
METALL 130 |
L1 bis L4
|
Ausgangsübertrager
Flach-Netztrafo 2*115V auf 2*6V; 10VA
besser geeignet ist Hammond
1608
|
Reichelt
|
UI 39/8 206 |
Ultra-Linear
Modifikation
Laut STC Application Report zur 6BQ5 (EL84) Pentode von 1957 sinkt
durch die Ultra-Linear
Schaltung der Klirrfaktor von 2,3% auf 0,7%. Die Ultra-Linear
Schaltung wurde 1938 von dem Engländer Alan D. Blumlein als
US-Patent Patent 2218902 "Thermionic Valve Amplifying Circuits"
angemeldet. Für die Ultra-Linear Modifikation ist ein
Ausgangsübertrager mit Anzapfung bei 40% oder 50% der Windungszahl
nötig. Von tube-town
gibt es den Hammond
1608. Von Reinhöfer
electronic gibt es hierzu den Übertrager
53.55 oder 53.77U.
Im Bild unten sind die Anschlüsse des Hammond Übertragers
dargestellt. Bei der Ultra-Linear Schaltung wird die Anode von U3
mit dem "Blu" Draht verbunden, das U3 Schirmgitter mit "Blu/Yel".
Die Anode von U4 wird mit "Brn" verbunden, das U4 Schirmgitter mit
"Brn/Yel". Die 270V Versorgungsspannung wird an den "Red" Draht
angeschlossen. Durch die Ultra-Linear Schaltung entsteht eine
Gegenkopplung. Das Schirmgitter kontrolliert wie das Steuergitter
den Elektronenstrom zwischen Kathode und Anode. Der
Schirmgitter-Eingang ist weniger empfindlich als der
Steuergitter-Eingang.


Bild links: Fig. 1 aus Blumlein Patent US-2218902. Bild rechts:
Anschlussbelegung Hammond 1608 Übertrager.
Arme Leute
Netzteil
Ein "Arme Leute" Netzteil genügt für einen Arme Leute
Stereoverstärker. Das Netzteil muss pro Kanal als Anodenspannung
270V bei maximal 121mA liefern, dies sind 32.7W. Die Heizspannung
ist 6,3V und 3,6A, dies sind 23W. Aus dieser Eingangsleistung
produziert der Arme Leute Stereoverstärker eine Ausgangsleistung von
10W. Dieser schlechte Wirkungsgrad hat etwas Gutes, er ist nach
Meinung des Autors ein Grund warum Röhrenverstärker so gut klingen.
Im Arme Leute Netzteil werden Halbleiterbauteile eingesetzt. Ein
oder zwei Trafos liefern die nötigen Wechselspannungen für Anoden-
und Heizspannung. Eine einfache Spannungsstabilisierung ersetzt die
früher übliche Drossel. Der MOSFET M1 arbeitet als Längsregler. Ein
Kurzschluss zwischen den +270V und 0V Ausgängen des Netzteils
zerstört den MOSFET.

Die 230V Wechselspannung V1 sollte über einen Entstörfilter geführt
werden. Der Entstörfilter und auch der Ein/Ausschalter sind im
Schaltplan nicht eingezeichnet. Der Anodenspannungs-Netztrafo hat
die Wicklungen L1 und L2 und ist ein Trenntrafo. Trenntrafos haben
üblicherweise eine 230V Wicklung und zwei 115V Wicklungen. Die
beiden 115V Wicklungen werden in Reihe geschaltet. Der
Heizspannungs-Netztrafo ist ein handelsüblicher 6V Trafo mit
mindestens 24VA und hat die Wicklungen L5 bis L8. Die
Wechselspannung wird mit den Dioden D1 bis D4 gleichgerichtet. Der
Elko C5 glättet die Gleichspannung. Die Widerstände R1 und R2 sorgen
für eine Entladung des Elkos C5 nach dem Ausschalten. Trotz dieser
Entladewiderstände sollte man nach dem Ausschalten des Verstärkers
mindestens eine Minute warten bevor man das Gehäuse öffnet. Der
Stromschlag von einem geladenen Elko ist unangenehm. Die
Spannungsstabilisierung erfolgt durch den MOSFET M1. An dem Gate des
Transistors liegt eine Spannung von 275V. Diese Spannung ergibt sich
durch die Zener-Spannungen der Zener-Dioden D5 bis D8. Am Source von
M1 liegt eine Spannung von 270V. Die Kondensatoren C6 und C10
verhindern wilde Schwingungen von M1. Die Siebkette R4, C7, R5, C8,
R6, C9 reduziert den Brumm. Ohne D9 entsteht beim Einschalten eine
hohe Spannung zwischen MOSFET Drain und Source welche den MOSFET
zerstört.
Der Drain von M1 führt eine Spannung von über 300V und muss isoliert
auf den Kühlkörper eingebaut werden.
Bauteil
|
Beschreibung
|
Lieferant
|
Artikel
|
Entstörfilter
|
Kaltgerätebuchse,
Entstörfilter, Ausschalter, Sicherung
|
Reichelt
|
FEH
2101 |
Sicherung
|
Sicherung 0,5A träge
|
Reichelt |
TRÄGE 0,5A |
L1 bis L3
|
Trenntrafo 230V auf 2*115V;
60VA
|
Reichelt
|
TIM 60 |
L5 bis L8
|
Netztrafo 230V auf 6V; 25VA
|
Reichelt |
EI 60/25,5 106 |
D1 bis D4
|
Diode 1N4007
|
Reichelt |
1N 4007 |
D5
|
Zenerdiode 82V; 1,3W
|
Reichelt |
ZD 68 |
D6, D7, D8
|
Zenerdiode 68V; 1,3W
|
Reichelt |
ZD 62 |
M1
|
MOSFET IRF510
|
Reichelt |
TIP 122 STM |
Q1 Kühlkörper
|
Fingerkühlkörper 6K/W
|
Reichelt
|
V 4554D |
C1 bis C4
|
Kondensator 10nF, 400V |
Reichelt |
|
C5
|
Elko 220uF; 385V
|
Reichelt |
BSN
220/385 |
C6 bis C10
|
Kondensator 100nF, 400V |
Reichelt |
MKS-4-400 100N |
R1, R2, R7, R8
|
Metallschicht 130kΩ
|
Reichelt |
2W
METALL 1,0K |
R3
|
Metallschicht 4.7kΩ
|
Reichelt |
2W
METALL 3,3K |
R4 bis R6
|
Metallschicht 10kΩ |
Reichelt |
|
Anstelle der beiden Netztrafos kann für einen Monoverstärker der
Reinhöfer electronic Netztrafo 52.37 oder
52.7L95 und für einen Stereoverstärker der Netztrafo
52.01 benutzt werden.
long tail
Phasenumkehr
Die Phasenumkehr-Stufe in einem Röhrenverstärker ist zum Großteil
für den individuellen "Verstärkerklang" verantwortlich. Neben der
"phase splitter" Schaltung ist die "phase inverter" Schaltung
bekannt. Der Differenzverstärker mit dem gemeinsamen
Kathodenwiderstand, dem long tail, wurde 1937 von Alan D. Blumlein
patentiert im US Patent 2185367. Die "phase inverter" Schaltung ist
eine spezielle Nutzung der "long tail" Schaltung. Im "Radiotron
Designer's Handbook, Fourth Edition" aus dem Jahr 1954 wird die
"Schmitt phase inverter" Schaltung beschrieben. Für einen HiFi
Röhrenverstärker ist die "long tail" Schaltung üblich. Bei etlichen
Gitarren-Verstärkern wurde sie auch eingesetzt.


Bild links: Long tail Verstärker aus Alan D. Blumlein Patent von
1937. Die Röhren 3, 4 bilden den Differenzverstärker mit Widerstand
5 als long tail.
Bild rechts: Phase inverter aus Radiotron Handbook, Ausgabe 1954
Der 15000Ω Widerstand in der Radiotron Schaltung bildet den "long
tail". Im Idealfall wirkt dieser Widerstand wie eine Stromquelle und
bestimmt den Kathoden-Strom. Das linke Steuergitter der
Doppel-Triode wird angesteuert, das rechte Steuergitter wird nicht
angesteuert. Wenn nun der Anodenstrom in der linken Triode steigt,
dann muss der Anodenstrom in der rechten Triode um den gleichen
Betrag sinken, weil die Summe der beiden Anodenströme, der
Kathodenstrom, ja konstant ist. Über den gemeinsamen "long tail"
Widerstand ergibt sich die Erzeugung von zwei gegenphasigen
Signalen. Der 1500Ω Widerstand sorgt für einen Spannungsunterschied
zwischen Steuergitter und Kathode. Wie oben schon beschrieben muss
die Kathode immer positiver als das Steuergitter sein, damit die
Elektronenröhre ohne Eingangsleistung angesteuert werden kann. Der
Spannungsabfall an dem 1500Ω Widerstand liegt zwischen 1V und
2V.
Arme Leute
Röhrenverstärker Nr. 2
Der Arme Leute Verstärker Nr.2 benutzt die seit den 1950er Jahren
übliche "long tail" Phasenumkehr-Schaltung. Die Schaltung enthält
einige zusätzliche Bauteile. R1, R2, R12 und R13 reduzieren die
Schwingneigung der Schaltung. Diese Widerstände sollen direkt an die
Röhrenfassung gelötet werden. C3, C4, C7 und C8 kompensieren die
Gitter-Anoden-Kapazität. Dadurch steigt die obere Grenzfrequenz.
Diese kleinen Kapazitätswerte werden oft durch zwei verdrillte
isolierte Drähte realisiert. R16 und R17 sind Sicherungswiderstände.
Bei einer Unterbrechung zwischen Anode und Ausgangsübertrager fließt
ein hoher Strom durch diese Widerstände. Durch die Überlastung soll
der Widerstand hochohmig werden und die Zerstörung der Endpentode
verhindern. Die wichtigste Verbesserung ist der Trimmer R19. Damit
wird der Verstärker auf minimalen Klirrfaktor (Oberwelle)
eingestellt. Die Verstärkung von U1 und U2 ist nicht gleich. Einmal
wegen den Bauteiletoleranzen der Röhren, aber auch aufgrund der
"long tail" Schaltung. Die ECC81 Röhre ist eigentlich eine UKW
Röhre. Als Treiberstufe für zwei EL84 ist sie besser geeignet als
die ECC83.

Simulationswerte
Bei 10W Ausgangsleistung ist Intermodulation 43.8dB bei zwei
Sinustönen gleicher Amplitude und 10kHz sowie 10.2kHz Frequenz. Die
Oberwellen liegen bei 43.7dB. Die Spannungsverstärkung ist 19.7dB.
Der Frequenzgang reicht von 36Hz bis über 400kHz. Diese obere
Grenzfrequenz dürfte nicht erreicht werden. Die Simulation des
Ausgangsübertragers enthält keine Kapazitäten.
Arme Leute
Röhrenverstärker Nr. 3
Der Arme Leute Verstärker Nr.3 kombiniert die "long tail"
Phasenumkehr-Schaltung mit der Ultra-Linear Ausgangsstufe. Ein
richtiger Ausgangsübertrager wie der Hammond
1608 oder der Reinhöfer
Übertrager 53.55 dürfte das teuerste Bauteil im Arme Leute
Verstärker sein. An dieser Stelle ist das Geld gut angelegt. Die
Ultra-Linear Ausgangsstufe hat auch in der Simulation die besten
Werte von Intermodulation und Oberwellen.

Arme Leute
Röhrenverstärker Nr. 4
Der Arme Leute Verstärker Nr.4 bedient die Trioden-Schaltung
Nostalgie. Zwei EL84 in Triodenschaltung liefern nur 5 Watt
Ausgangsleistung. Die Pentoden- und Ultra-Linear-Schaltung liefern
10 Watt Ausgangsleistung. Die Simulationswerte für Intermodulation
und Oberwellen sind nicht besser als in der Pentodenschaltung. Der
Arme-Leute Verstärker Nr.2 kann sehr einfach in einen Arme-Leute
Verstärker Nr.4 umgebaut werden. In beiden Fällen genügt ein
Netztrafo als Ausgangsübertrager. Vielleicht hört man ja den
Trioden-Sound, auch wenn man den Trioden-Sound nicht simulieren
kann. Der Nr. 2 Verstärker ist übrigens ein guter
Pentoden-Verstärker. Wenn man einen schlechten Pentoden-Verstärker
zum guten Trioden-Verstärker umbaut ist die Klangverbesserung
deutlicher zu hören.

Fakt und Fiktion
über Röhrenverstärker
Die Bauteile für den "Arme Leute" Röhrenverstärker kosten ungefähr
200€. Es gibt aber auch Röhrenverstärker für 10000€ und mehr. Selbst
eine einzelne ECC83 Doppel-Triode wird für 200€ angeboten. Was ist
Fakt und was ist Fiktion bei diesen Preisen? Ein teurer
Röhrenverstärker sollte besser aussehen als ein billiger
Röhrenverstärker, soweit dürften alle noch zustimmen. Ob ein teurer
Röhrenverstärker auch besser klingt als ein billiger
Röhrenverstärker ist eine schwierige Frage. Zuerst einmal ist zu
klären was dieses "klingt besser" überhaupt bedeutet. Der Black
Cat Röhrenverstärker der TU Berlin versucht die Ursache des
guten HiFi Klanges eines Röhrenverstärkers zu ergründen. Was sind
die Erkenntnisse? Anstelle von dem Klirrfaktor sind der
Differenztonfaktor und der Intermodulationsfaktor wichtig für den
subjektiven guten Klang. Für die Klirrfaktor-Messung wird ein
Sinuston durch den Verstärker geschickt. Bei einer
Intermodulationsmessung werden zwei unterschiedliche Sinustöne durch
den Verstärker gejagt. Im Idealfall kommen auch nur zwei Sinustöne
aus dem Verstärker heraus. In der Praxis entstehen viele
Mischprodukte. Laut TU Berlin produziert ein Röhrenverstärker
weniger von diesen Intermodulations-Mischprodukten.
Die Hochschule
Regensburg untersucht Gitarrenverstärker. Hier gibt es noch
nicht so viele Erkenntnisse wie beim Thema HiFi Verstärker.
Besonders die Abgrenzung zwischen Effekt-Gerät mit erwünschten
Verzerrungen und linearen Verstärker ohne Verzerrungen fällt beim
Gitarren-Röhrenverstärker schwer. Eine Erkenntnis ist der Einfluss
von Induktivitäten am Verstärker-Eingang und -Ausgang auf den Klang.
Der Gitarren pick up ist eine Induktivität, der Lautsprecher
ebenfalls. Besonders der Klang eines Röhrenverstärkers ohne
Gegenkopplung lässt sich durch die angeschlossenen Induktivitäten
verändern.
Kondensator
Prof. Dr.-Ing. Manfred Zollner von der Hochschule Regensburg
schimpft, nach Meinung des Autors zu Recht, über den Kondensator
Hype. Die im "Arme Leute" Röhrenverstärker eingebauten Kondensatoren
und Elkos sind normale Ware. Teure
Kondensatoren sind in einem Niederfrequenzverstärker nicht besser
als normale Ware. Nach Hr. Zollner gibt es nur einen Fakt
in der ganzen Kondensator-Fiktion: Wird eine Draht in einem frei
verdrahteten Röhrenverstärker bewegt, ändert sich die Kapazität
zwischen diesem Draht und allen umliegenden Bauteilen. Eine Änderung
der Draht zu Umgebung Kapazität kann eine Klangänderung bewirken,
wenn sich die Eingangskapazität der Elektronenröhre ändert. Bei
einem Verstärker ohne Rückkopplung ist dieser Effekt stärker als bei
einem Verstärker mit Gegenkopplung. Wenn der Kondensator nicht vor
dem Austausch defekt war, dann hätte man die Klangänderung durch den
Super-Duper Kondensator auch alleine durch Bewegen des Drahtes im
Verstärker bewirken können.
Elektronenröhre
Wenn Kapazitäten am Eingang der Röhre so wichtig sind, was passiert
eigentlich beim Röhrentausch? Eigentlich das Gleiche wie beim
Bewegen eines Drahtes im Verstärker. Aufgrund der
Fertigungstoleranzen hat jede Röhre etwas andere
Eingangskapazitäten. Diese Unterschiede gibt es zwischen einzelnen
Röhren, egal ob die Röhren von einem Hersteller oder von
unterschiedlichen Herstellern stammen. Wenn jemand schreibt: "seit
dem ich die ECC83 von Firma XY in meinen Verstärker benutzte, klingt
der Verstärker besser", dann mag dies für den Einzelfall korrekt
sein. Es dürfte aber nicht korrekt sein, das jede Röhre von Firma XY
jedem Verstärker einen besseren Klang gibt. Das Bild unten zeigt
zehn verschiedene Versionen der Doppel-Triode ECC83 aus aktueller
Produktion. Der Versandhändler Antique Electronic Supply
bietet diese Varianten der ECC83 als T-12AX7-SET für 99,95 US-$ an.
Es ist gut möglich das in einem Verstärker nicht jede der zehn
Röhren auch gleich klingen. Welche Röhre in welchem Verstärker für
welchen Hörer nun besser klingt dürfte mehr ein Zufallsergebnis sein
als alles andere. Meine Empfehlung: Bevor jemand 100 US-$ für eine
einzige ECC83 Röhre ausgibt, sollte er das Set mit zehn Röhren
kaufen und die Röhren durchprobieren. Das nur Röhren aus der Produktion vor 1965 gut klingen ist
ein Irrglaube. So wie früher Valvo und Telefunken ihr
Handwerk verstanden, so verstehen heute Sovtek und Electro-Harmonix
die Röhrenherstellung. Es ist kein "magisches" Wissen über die
Röhrenherstellung verloren gegangen.

Bild: 10 Röhren vom Type ECC83 aus aktueller Produktion.
Übertrager
Der Ausgangsübertrager ist oft das teuerste Bauteil in einem
Röhrenverstärker. Der "Arme Leute" Verstärker benutzt einen
Netztrafo als Ausgangsübertrager. Was sind die Fakten bei einem
Ausgangsübertrager? Der Ausgangsübertrager ist im Vergleich zum
Kondensator ein kompliziertes Bauteil. Bei gleichem Äußeren kann der
innere Aufbau recht unterschiedlich sein. Die unterschiedlichen
Qualitäten eines Übertragers lassen sich messen. Ein guter
Übertrager sollte den ganzen HiFi Frequenzbereich von 20Hz bis 20kHz
übertragen. Die magnetische Kopplung zwischen den einzelnen
Wicklungen sollte möglichst gross sein. Die magnetische Kopplung
zwischen der ersten Primärwicklung und der Sekundärwicklung sollte
genauso groß sein wie die magnetische Kopplung zwischen der zweiten
Primärwicklung und der Sekundärwicklung. Der Übertrager sollte bei
keiner Frequenz mechanische Bewegungen ausführen die z.B. als
Brummgeräusche zu hören sind.
Qualitätsunterschiede zwischen Ausgangsübertragern werden schon im
Datenblatt angegeben. Der günstige Übertrager Hammond 125D von z.B.
Tube-Town
hat einen Frequenzbereich von 150Hz bis 15kHz. Der teure Übertrager
Hammond 1608 hat einen Frequenzbereich von 30Hz bis 30kHz. Dieser
Unterschied im Frequenzgang ist nicht nur messbar, sondern auch
hörbar. Beim Ausgangsübertrager
steigt die Qualität mit dem Preis. Mit dem Hammond P-T1608
oder dem Reinhöfer electronic Übertrager 53.55 erreicht man schon
eine sehr gute Klangqualität. Nach Meinung des Autors ist ein
Ringkern- oder Schnittbandkern-Ausgangsübertrager nicht nötig. Der
Ringkern-Übertrager VDV8020PP
von Amplimo dürfte nicht besser klingen als die beiden
empfohlenen Übertrager. Der Preis ist aber deutlich höher.
Ein Netztrafo als Ausgangsübertrager dürfte einen Frequenzbereich
wie der Hammond 125D haben. Ein Gegentakt-Ausgangsübertrager
benötigt übrigens keinen Luftspalt. Der Ruhestrom der Endpentoden
ist ein Gleichstrom und erzeugt im Ausgangsübertrager ein konstantes
Magnetfeld. So weit, so richtig. Die beiden konstanten Magnetfelder
arbeiten gegeneinander und heben sich dadurch auf. Die
Gleichstrombelastung eines Gegentakt-Übertragers ist somit nicht die
Summe der Ruheströme der Endröhren, sondern die Differenz der
Ruheströme. Die Differenz der Ruheströme liegt bei maximal 20% eines
einzelnen Ruhestromes, auch bei "unmatched" Röhren. Eine solche
kleine Gleichstrombelastung verträgt auch ein Kern ohne Luftspalt
ohne in die magnetische Sättigung zu gehen. Im schlimmsten Fall
wählt man den Ausgangsübertrager eine Nummer größer um die
Gleichstrombelastung "wegstecken" zu können. Der Hammond 1608 ist
für 10VA ausgelegt, der im Arme Leute Verstärker als
Ausgangsübertrager eingesetzte Netztrafo verkraftet 14VA.
Simulation von
Röhrenverstärker mit LTSpice
Die Entwicklung der Röhrenverstärker war nicht schwer, es gibt
genügend viele Vorlagen. Die Arme Leute Schaltungen sollten aber
auch mit LTSpice
simuliert und optimiert werden. Im Internet gibt es einige Seiten
zum Thema Elektronenröhren Simulation mit SPICE, wie die von Norman
L. Koren Finding
SPICE tube model parameters. Leider sind alle mir bekannten
SPICE Modelle nicht gut geeignet um Ultra-Linear Schaltungen zu
simulieren. Üblicherweise gibt es für eine Endpentode zwei SPICE
Modelle. Einmal für den Pentoden Betrieb und einmal für den Trioden
Betrieb. Der Ultra-Linear Betrieb steht zwischen dem
Pentoden-Betrieb mit Schirmgitter an fester Gleichspannung und
Trioden Betrieb mit Schirmgitter verbunden mit Anode.
Eine gute Einleitung in die Theorie der Elektronenröhren ist immer
noch der 1919 von Heinrich Barkhausen veröffentlichte Artikel "Die Vakuumröhre und
ihre technischen Anwendungen". Im Jahr 1922 hat Franz Tank von
dem Physikalischen Institut der Universität Zürich in dem Artikel "Zur
Kenntnis der Vorgänge in Elektronenröhren" ein
leistungsfähiges Elektronenröhren-Modell vorgestellt. Er schreibt:
"Ein wesentliches Problem, die Erörterung des Kennlinienverlaufs im
Gebiete positiver Gitter- und Anodenspannungen, ist bis jetzt noch
wenig in Angriff genommen worden". Barkhausen zeigt in seinen
Artikel eine Stromverteilungs-Kennlinie, er gibt aber keine Formeln
dazu an.

Bild: Stromverteilung von Kathodenstrom Je auf Steuergitter Jg und
Anode Ja in Abhängigkeit von den Spannungen aus Barkhausen "Die
Vakuumröhre ...", Fig. 2

Bild: E88CC Triode Kennlinie schwarz, Tank-Modell farbig. In der
E88CC Kennlinie sind auch positive Gitterspannungen eingetragen.
Die Erkenntnisse von Tank über die Aufteilung des Kathodenstromes in
Steuergitter- und Anodenstrom bei positiven Spannungen an
Steuergitter und Anode lassen sich direkt auf Tetrode und Pentode
übertragen. Bei diesen Röhren findet die
Kathodenstromverteilung zwischen Schirmgitter und Anode statt.
Das Steuergitter liegt an einer negativen Spannung. Im Modell von
Tank wird zuerst der Kathodenstrom berechnet. Im zweiten Schritt
wird der Kathodenstrom auf die Gitter mit positiver Spannung
aufgeteilt. Mit dem Tank Modell kann Pentoden- und Trioden-Betrieb
von Endpentoden gut simuliert werden.
Bild oben: Pentode EL84 Pentode-Kennlinie in Schwarz, Tank-Modell in
Farbe.
Bild unten: Pentode EL84 Triode-Kennlinie in Schwarz, Tank-Modell in
Farbe.
Das Tank-Modell für Tetroden und Pentoden wird auf englisch
beschrieben in der PDF Datei History of
the Vacuum Tube Theory, SPICE models vom Autor. In der Datei
tubes.cir sind die Elektronenröhre-Modelle als SPICE Sub-circuits
enthalten. Hier die Modelle von einigen bekannten Pentoden und
Trioden:
.SUBCKT 6L6WGB K G G2 K A
* Cathode G1 G2 G3 Anode
* 26W pentode G3=K, Bariumoxyd, no g1 current
.param mu=8.5 m=1.65 G=1.07m Ga=14.1u Ve=-2.12 Dg=710m B=100m
n=500m
.func f(Vg,Vg2,Va)
{(G+Ga*Vg)*uramp(Vg2/mu+Dg*Vg+Ve)**m/(Va**n+B*Vg2**n)}
Ra A A1 200
Cg G K 11.5p
Ca A1 K 9.5p
Cag A1 G 0.9p
Ba A1 K
I=f(V(G,K),V(G2,K),V(A1,K))*V(A1,K)**n
Bg2 G2 K
I=f(V(G,K),V(G2,K),V(A1,K))*B*V(G2,K)**n
.ENDS
.SUBCKT EL34 K G G2 K A
* Cathode G1 G2 G3 Anode
* 6CA7, 25W pentode G3=K, Mullard datasheet
.param mu=11 m=1.5 G=-5.85 Ga=35.5m Ve=1.82 Dg=724m
+ B=283m n=0.5 Vw=-1.73 Vo=86.2m Io=37.6k
.func f(Vg,Vg2,Va)
{exp(G+Ga*Vg)*(Vg2/mu+Dg*Vg+Ve)**m/(Va**n+B*Vg2**n)}
.func h(Vg,Vg2) {exp(G+Ga*Vg)*(Vg2/mu+Dg*Vg+Ve)**m}
Ra A A1 133
Cg G K 15.2p
Ca A1 K 8.4p
Cag A1 G 1.1p
Ba A1 K
I=f(V(G,K),V(G2,K),V(A1,K))*V(A1,K)**n
Bg2 G2 K
I=f(V(G,K),V(G2,K),V(A1,K))*B*V(G2,K)**n
Bg G K
I=if(V(G,K)<Vw,Io*exp(V(G,K)/Vo),h(V(G,K),0))
.ENDS
.SUBCKT EL84 K G G2 K A
* Cathode G1 G2 G3 Anode
* 6BQ5, 12W pentode G3=K, Philips datasheet
.param mu=19 m=1.5 G=-5.68 Ga=25.5m Ve=458m Dg=916m
+ B=115m n=500m Vw=-321m Vo=86.2m Io=7.14m
.func f(Vg,Vg2,Va)
{exp(G+Ga*Vg)*(Vg2/mu+Dg*Vg+Ve)**m/(Va**n+B*Vg2**n)}
.func h(Vg,Vg2) {exp(G+Ga*Vg)*(Vg2/mu+Dg*Vg+Ve)**m}
Ra A A1 125
Cg G
K 10.8p
Ca A1 K
6.5p
Cag A1 G 0.5p
Ba A1 K
I=f(V(G,K),V(G2,K),V(A1,K))*V(A1,K)**n
Bg2 G2 K
I=f(V(G,K),V(G2,K),V(A1,K))*B*V(G2,K)**n
Bg G
K
I=if(V(G,K)<Vw,Io*exp(V(G,K)/Vo),h(V(G,K),0))
.ENDS
.SUBCKT ECC81 A G K
* 12AT7, Philips datasheet
.param mu=60 m=1.5 G=-5.79 Ga=240m Ve=154m Dg=608m
+ B=0.1 n=0.5 Vw=-61.4m Vo=86.2m Io=173u
.func f(Vg,Va) {exp(G+Ga*Vg)*(Va/mu+Dg*Vg+Ve)**m/(Va**n+B*Vg**n)}
Ra A A1 500
Cg G K 2.3p
Ca A1 K 0.45p
Cag A1 G 1.6p
Ba A1 K
I=f(V(G,K),V(A1,K))*V(A1,K)**n
Bg G K
I=if(V(G,K)<Vw,Io*exp(V(G,K)/Vo),f(V(G,K),V(A1,K))*B*V(G,K)**n)
.ENDS
.SUBCKT ECC82 A G K
* 12AU7, Philips datasheet
.param mu=17 m=1.5 ma=0 G=-7.28 Ga=54.2m Ve=483m Dg=806m
+ B=0.1 n=0.5 Vw=-290m Vo=86.2m Io=2.1m
.func f(Vg,Va) {exp(G+Ga*Vg)*(Va/mu+Dg*Vg+Ve)**m/(Va**n+B*Vg**n)}
Ra A A1 1m
Cg G K 1.8p
Ca A1 K 0.5p
Cag A1 G 1.6p
Ba A1 K
I=f(V(G,K),V(A1,K))*V(A1,K)**n
Bg G K
I=if(V(G,K)<Vw,Io*exp(V(G,K)/Vo),f(V(G,K),V(A1,K))*B*V(G,K)**n)
.ENDS
.SUBCKT ECC83 A G K
* 12AY7, Philips datasheet
.param mu=100 m=1.5 G=-6.82 Ga=146m Ve=613m Dg=868m
+ B=0.1 n=0.5 Vw=-513m Vo=86.2m Io=12.2m
.func f(Vg,Va) {exp(G+Ga*Vg)*(Va/mu+Dg*Vg+Ve)**m/(Va**n+B*Vg**n)}
Ra A A1 1m
Cg G K 1.6p
Ca A1 K 0.46p
Cag A1 G 1.7p
Ba A1 K
I=f(V(G,K),V(A1,K))*V(A1,K)**n
Bg G K
I=if(V(G,K)<Vw,Io*exp(V(G,K)/Vo),f(V(G,K),V(A1,K))*B*V(G,K)**n)
.ENDS
.SUBCKT E88CC A G K
* 6DJ8, 6922, Philips datasheet
.param mu=33 m=1.75 G=6.39m Ga=269u Ve=51.4m Dg=828m
+ B=0.1 n=0.5 Vw=-41.1m Vo=25m Io=11.1u
.func f(Vg,Va)
{(G+Ga*Vg)*uramp(Va/mu+Dg*Vg+Ve)**m/(Va**n+B*Vg**n)}
.func h(Vg,Va) {(G+Ga*Vg)*uramp(Va/mu+Dg*Vg+Ve)**m}
Ra A A1 500
Cg G K 3.3p
Ca A1 K 1.75p
Cag A1 G 1.4p
Ba A1 K
I=f(V(G,K),V(A1,K))*V(A1,K)**n
Bg G K
I=if(V(G,K)<Vw,Io*exp(V(G,K)/Vo),h(V(G,K),0))
.ENDS
Röhren Modelle in LTSpice bekanntmachen
Diese SPICE Datensätze gehören in die Datei tubes.lib. Diese Datei
ist im Unterverzeichnis LTSpice von roehrenverstaerker.zip zu
finden. Um die graphische Darstellung im Layout-Editor von LTSpice
mit dem SPICE Modell zu verbinden sind die Dateien pentode.asy und
triode.asy nötig. Die Datei potiometer.asy ist die graphische
Darstellung des SPICE Modells divider.sub, eines einstellbaren
Spannungsteilers. Damit LTSpice die Dateien findet, müssen einige
Dateien im LTSpice lib Unterverzeichnis abgelegt werden. Bei
normaler Installation ist dieses Unterverzeichnis unter
C:\Programme\LTSpiceIV zu finden. Das Unterverzeichnis Ham ist kein
Standard LTSpice Verzeichnis und muss zuerst erzeugt werden.
Dateien
|
nach Verzeichnis
|
divider.sub
|
LTspiceIV\lib\sub
|
*.asy
|
LTspiceIV\lib\sym\Ham
|
Die *.asc Dateien enthalten die LTSpice Layouts für die Arme
Leute Röhrenverstärker und das Netzteil.